Erinnerungen an den Bio-Unterricht
Osmose
Aus den naturwissenschaftlichen Fächern in der Schule ist bei mir ehrlich gesagt nichts hängengeblieben. Außer der Definition von Osmose: Diffusion durch eine semipermeable Membran. Ich glaube, das haben wir gelernt, als es um Photosynthese ging.
(Zur Erinnerung, Photosynthese heißt ungefähr: Pflanzen nehmen über Osmose Wasser und Mineralien auf, dazu noch Kohlendioxid und Sonnenenergie aus der Luft und davon ernähren sie sich und zaubern nebenbei den Sauerstoff, den wir zum Leben brauchen. Oder so ähnlich.)
Tja. Und letzte Woche beim Gassigehen hab ich nach einem Begriff gesucht, der ein menschliches Phänomen beschreibt, dem wir viel zu wenig Beachtung schenken. Da kam mir „Osmose“ in den Sinn.
Du bist der Durchschnitt …
… der fünf Menschen, mit denen du die meiste Zeit verbringst.
Das Zitat stammt von Jim Rohn und als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal darüber gestolpert bin, hat es mich völlig umgehauen.
Überleg ruhig mal, wer die fünf Menschen sind, mit denen du die meiste Zeit verbringst; zu Hause, privat, am Arbeitsplatz, virtuell. Und wie diese Menschen sind, wie sie leben, wie sie ihre Zeit verbringen, welche Ansichten sie haben, welche Ziele, welche Werte, welches Mindset.
Und jetzt überleg mal, welchen Einfluss diese Menschen auf dich haben. Welche Angewohnheiten hast du zum Beispiel von ihnen übernommen? Wie haben ihre Einstellungen auf dich abgefärbt? Wie beeinflussen diese Menschen deine Stimmung? Was hast du von ihnen gelernt?
Falls du gerade noch nicht so ganz weißt, was ich meine, denk mal an einen Zeitpunkt zurück, an dem jemand aus deinem Umfeld eine neue Beziehung eingegangen ist – da werden diese Einflüsse meistens sehr offensichtlich. 😉
Und jetzt spannen wir den Kreis noch etwas weiter, denn wir sind meiner Meinung nach nicht nur der Durchschnitt der fünf Menschen, mit denen wir die meiste Zeit verbringen. Wir nehmen permanent Einflüsse von außen auf und machen sie kurzzeitig oder dauerhaft zu einem Teil von uns selbst. Das meine ich mit Osmose.
Photosynthese 🙂
Ich freue mich schon drauf, das Journal den ganzen Sommer über mit Blumenfotos zuzuspammen …
Beeinflussbare Menschen
Wenn wir sagen, dass jemand beeinflussbar ist, klingt das nicht wirklich positiv. Es klingt wie eine Charakterschwäche. Dass etwas auf jemanden abfärbt, klingt auch eher nach einem persönlichen Makel.
Ist es aber nicht. Es ist eine fantastische Fähigkeit. Osmosefähigkeit. Die Sache ist nur die: Wir brauchen ein gewisses Bewusstsein dafür, was wir da per Osmose aufnehmen und was wir damit anstellen.
Zunächst mal kann uns prinzipiell alles beeinflussen. Menschen, das Wetter, der Papierstau im Drucker. Druckerfrust geht meistens recht schnell wieder vorbei; was unsere Eltern uns im Kindergarten über die Mühen des Lebens erzählt haben, klingt wahrscheinlich heute noch nach. Und das, was uns regelmäßig begegnet (die fünf Menschen zum Beispiel), färbt fortwährend ab.
Ich möchte dich diese Woche einladen, die täglichen Einflüsse von außen mal ins Bewusstsein zu holen. Ähnlich wie letzte Woche beim Thema Selfcare kannst du schauen, welche Einflüsse dir Energie geben und welche dir Energie nehmen. Und was die Einflüsse mit deinem Mindset machen, besonders die menschlichen Einflüsse.
Mit menschlichen Einflüssen meine ich alle Menschen in deinem Leben. Die, die du persönlich triffst, mit denen du telefonierst oder chattest. Und auch die, denen du über die Medien begegnest; was du dir im Fernsehen anschaust, was auf deinem Facebook-Feed erscheint und welche Blogs oder Newsletter du liest (jep, auch dieses Journal).
Welche Inhalte, welches Mindset, welche Stimmungen werden da transportiert? Ruft deine Mutti dich immer nur an, um zu meckern? Wünscht dein Partner dir jeden Tag einen guten Morgen? Siehst du auf deinem Facebook-Feed nur Meldungen über steigende Gaspreise und explodierende Pandemiezahlen? Geht es in deinen Newslettern um Sonderangebote oder Mindset-Fragen? 😉
All dieser Input hat potenziell Einfluss auf dich – und das ist keine Charakterschwäche und kein Makel. Das ist menschliche Osmosefähigkeit. Die Frage ist nur: Was machst du damit?
Leave it: Gerade bei Medieninput kannst du schmerzfrei entscheiden, was du in dein Leben lässt und was nicht. Du musst keine Nachrichten schauen und du darfst Nörglern auf Facebook die Freundschaft kündigen.
Change it: Im echten Leben ist das schon schwieriger, aber auch hier darfst du Grenzen setzen oder dich aus Kontakten zurückziehen. Und du darfst an dir selbst arbeiten; daran, das ein oder andere nicht zu nah an dich herankommen zu lassen, es dir nicht zu Herzen zu nehmen. Was andere von sich geben, ist deren Sache, nicht deine.
Osmose funktioniert selektiv – nicht alles, was außen anklopft, muss auch eingelassen werden.
Love it: Feiere das, was dich stärkt. Lass den Input rein, aus dem du dich Photosynthese-mäßig ernähren kannst und mach Sauerstoff für dich und andere daraus – denn auch du beeinflusst deine Umgebung, ob du willst oder nicht.
Verbring mehr Zeit mit den Menschen (in echt, virtuell, in Büchern …), aus denen du der Durchschnitt sein möchtest. Und lass sie bewusst auf dich abfärben. Denk nicht nur „Ach, ich wär auch gern so sportlich wie meine Schwester“ – frag deine Schwester doch lieber, ob sie dich morgen mal zum Joggen mitnimmt. Oder frag sie, wie sie sich überhaupt zum Joggen motiviert.
Wir betreiben fortwährend unsere menschliche Osmose. Wir nehmen Input von außen auf und machen ihn zum Teil von uns selbst. Unser Umfeld verändert uns – und wir verändern unser Umfeld. Es wird Zeit, dass wir diese Fähigkeit viel, viel bewusster nutzen.
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