Ist der Narr auf dem richtigen Weg? Nach dem letzten aufregenden Kapitel seiner Heldenreise kann er sich dessen kaum noch sicher sein. Doch heute scheint er endlich Hilfe zu bekommen. Vielleicht hat er sogar sein Ziel erreicht? Lies selbst!
III DIE KÖNIGIN
Während der Narr im Sonnenschein weitergeht, versucht er, sich zu erinnern. Hat er das Nixenmädchen wirklich gesehen? War sie echt? Vielleicht ist er in der Höhle einfach nur eingeschlafen und hat etwas Komisches geträumt. So Sachen sind ihm früher schon passiert. Träume. Er hat etwas erfahren. Oder erlebt. Aber es ist zu verschwommen, er kann es einfach nicht greifen. Um sich abzulenken, jongliert er, während er weitergeht, und geht weiter, während er jongliert.
Da sieht er in der Ferne eine Burg. Vielleicht kann er dort etwas zu essen bekommen. Etwas anderes als Beeren, etwas Stärkendes. Und etwas zu trinken, ohne gleich ins Wasser zu fallen. So war es bestimmt. Er wollte trinken und weil er so müde war, ist er ins Wasser gefallen und hat geträumt. Denn Zaubermädchen gibt es doch gar nicht!
Das Burgtor ist geschlossen und als der Narr anklopft, hört er von drinnen nur eine mürrische Stimme, die ruft, dass er weggehen soll.
»Aber wieso denn?«
»Weil die Königin verschwunden ist und wir in Trauer sind«, antwortet die Stimme durch die dicken Holzbohlen.
»Oh. Das ist traurig«, antwortet der Narr und wendet sich ab.
Hier geht’s zur Hörbuch-Episode, in der du auch die Zeichnung der Karte in Adobe Fresco sehen kannst.
Er geht zum Hauptweg zurück und hält im dichten Gebüsch nach Beeren Ausschau, um seinen Hunger notdürftig zu stillen. Da hört er etwas. Eine Art Seufzen. Auf einem Baumstumpf auf einer Lichtung sieht er eine Dame sitzen. Sie ist hübsch, aber sie sieht traurig aus. Als eines seiner Glöckchen klingelt, schaut sie erschrocken in seine Richtung und stößt einen kurzen Schrei aus. Der Narr weicht zurück. »Ent … Entschuldigung, ich wollte Sie nicht stören, es tut mir sehr leid, ich gehe schon.«
»Warte.« Die Dame spricht mit fester Stimme. »Wer bist du? Was tust du hier?«
»Ich weiß es nicht«, antwortet der Narr. »Ich wollte Zauberer werden und bin losgegangen. Aber es klappt nicht und ich wäre fast ertrunken. Ich bin ein Narr! Ich verstehe das alles nicht und ich habe Hunger.« Er sinkt auf die taufeuchte Erde und beginnt zu weinen.
Die Dame rafft ihre Gewänder und beugt sich zu ihm hinunter. »Aber, aber. Das ist doch alles gar nicht so schlimm. Du bist doch nicht ertrunken, du bist doch hier. Gegen den Hunger können wir etwas tun und wenn du wirklich ein Narr bist, dann habe ich vielleicht eine ganz tolle Idee. Kannst du jonglieren?«
»Ja, meine Dame, das kann ich. Aber wieso möchten Sie das wissen?«
»Nun, wir brauchen dringend einen Narren. Mein Gemahl ist überarbeitet vom Regieren und ich bin traurig darüber. Und das macht alle anderen traurig. Die Burgbewohner brauchen jemanden, der sie aufheitert. Kannst du das?«
»Oh, ja ja ja«, klimpert es lustig, »das kann ich. Wohnen Sie in der Burg?«
Die Dame richtet sich auf. »Natürlich. Dort oben im höchsten Turm.« Sie zeigt in Richtung der Zinnen. »Ich bin die Königin.«
Der Narr wirft sich zu ihren Füßen in den Schmutz. »Oh, Euer Hoheit, das wusste ich nicht. Seht Ihr, so ein Narr bin ich. Ich will gerne für Euch jonglieren.«
»Sehr gut. Steh auf, ich bin nur die Königin, keine Göttin. Lass uns zur Burg gehen. Unterwegs kannst du mir deine Geschichte erzählen, damit ich dich dem König vorstellen kann und er dich in seine Dienste nimmt.«
»Was ist eine Göttin?«, fragt der Narr, während er aufsteht.
»Erzähl mir erst deine Geschichte. Die Göttinnen und Götter können warten«, erwidert die Königin, während sie ihm den Schmutz aus dem Gesicht wischt.
»Okay. Soll ich alles erzählen? Also, das war so. Ich war Narr am Hof des Ehrenwerten Kleinen Königs und ich kann sehr gut jonglieren. Manchmal sogar mit vier Bällen. Und ein bisschen tanzen kann ich auch. Und eines Tages war da ein trauriges Mädchen, das irgendwas auf Papier nicht lösen oder vollenden konnte und sie meinte, dafür bräuchte man einen Zauberer. Und erst viele, viele, viele Wochen später kam ein Magier zur Burg und der sagte mir, ich könne auch ein Zauberer werden und ich hätte die erste Lektion schon geschafft und müsste nun noch zwanzig und eine Prüfung bestehen oder so. Aber ich verstehe nicht, was das bedeutet und ich habe mir die Handfläche verbrannt – guck – und dann bin ich losgegangen und dann … Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich habe ein Fischmädchen gesehen.«
»Ein Fischmädchen?«
»Ja. Wie ein Mädchen mit einer Flosse. Und dann habe ich geschlafen und gefroren und geträumt.«
Die Königin schaut ihn nachdenklich von der Seite an. »Das war vielleicht kein Traum. Diese Nixen sind genauso real wie Feen, Engel oder der Magier, der dir die Hand so schlimm verbrannt hat. So real wie du und ich. Aber sie sind gefährlich. Sie zeigen den Menschen die Dunkelheit und Dinge, die sie nicht sehen sollten. Vergiss sie am besten. Denk nicht mehr daran. War das eine der Lektionen?«
»Ja, ich glaube schon. Wenn ich es nicht geträumt habe. Oder?«
»Ja. Bestimmt.«
»Sind Sie auch eine Lektion, Euer Hoheit?«
»Nein. Bestimmt nicht. Wir beide sind einfach füreinander da. Du hilfst mir, den Hof wieder fröhlich zu machen – und ich sorge dafür, dass du nie wieder hungrig oder durstig sein musst. Wollen wir das so machen?«
»Oh ja, das wäre schön.«
Die Königin nickt entschlossen und reicht dem Narren ein Stück Papier mit seltsamen Symbolen darauf.
»Gut. Hier, nimm diese Karte. Wenn du sie bei dir trägst, wissen die Wachtposten immer, dass du zu uns gehörst und unter meinem Schutz stehst.«
»Karte?«, fragt der Narr.
»Karte«, sagt die Königin und zeigt auf das Papier in seiner Hand. »Pass gut darauf auf«, sagt sie leise und nimmt ihn für einen Moment fest in den Arm. Dann ruft sie: »Öffnet das Tor, Eure Königin ist zurück«, und umgehend setzt sich das schwere Tor in Bewegung und gibt den Weg frei.
So schnell kann’s gehen! Der Narr hat ein neues Zuhause gefunden! Er ist willkommen, hat einen Job und muss nie wieder Hunger leiden. Ziel erreicht. Ende gut, alles gut.
Nein, natürlich nicht. Genau das gleiche hatte er ja vor seinem Aufbruch auch schon. Sei gespannt, was im nächsten Kapitel passiert, wenn der Narr den »Herrscher« trifft!


