Wie bin ich denn eigentlich??
Eine Frage der Wahrnehmung
Die Tage kam in einer Facebookgruppe die Frage auf, ob die Verfasserin nun ordentlich oder chaotisch sei; sie nimmt sich selbst als ziemlich chaotisch wahr, andere empfinden sie aber als sehr organisiert. Gespaltene Persönlichkeit? Keineswegs. Einfach eine Frage der Wahrnehmung.
Jedem seine Brille
Ob irgendjemand dich als ordentlich oder chaotisch, als nett oder doof, als erfolgreich oder Versager wahrnimmt, hat erstaunlich wenig mit dir zu tun. Jeder andere sieht dich nur durch seine eigene Brille, hat seine eigenen Vorstellungen davon, was „erfolgreich“ bedeutet und woran man erkennt, dass jemand „chaotisch“ ist. Es gibt keine objektive, allgemeingültige Messlatte …
„Chaotisch ist derjenige, der mindestens vier nicht zueinander passende Socken besitzt.“
Nein! Die meisten Eigenschaften, die wir Menschen uns gegenseitig zuschreiben, sind völlig subjektive Wertungen.
Ob dich jemand für chaotisch, erfolgreich, attraktiv oder sonstwas hält, ist dessen persönliche Meinung, geformt von seinen Erfahrungen, Vorlieben, eigenen Fähigkeiten und so weiter. Und, ja, es hängt auch davon ab, was derjenige von dir kennt. Vielleicht bist du im Job ja wirklich super pünktlich und pingelig und zweihundert Prozent – und zu Hause halt einfach eine faule Sau. Nur wissen deine Kollegen davon nichts. Aber auch pingelig und faul sind subjektive Wertungen!
Du kannst die Wertungen der anderen nicht beeinflussen. „Schön“ ist zum Beispiel rein subjektiv. Ob jemand dich oder dein Auto oder deine Katze „schön“ findet, ist dessen Angelegenheit. Nicht deine. Es sagt etwas über dessen Vorstellung von Schönheit aus. Und glaub mir: Deiner Katze ist das scheißegal, deinem Auto erst recht – und dir darf es auch egal sein. Mach’s wie deine Katze.
Auf die Handlungen kommt es an.
Woran machst du denn fest, dass jemand zum Beispiel „ordentlich“ ist? Was ist dein persönlicher Beweis für die Eigenschaft „ordentlich“? Und woran würdest du merken, dass du ordentlich bist?
Schnapp dir mal zwei bis drei Kriterien. Zum Beispiel:
1. Ordentliche Menschen haben keine nicht zusammenpassenden Socken.
2. Bei ordentlichen Menschen türmt sich weder die Schmutzwäsche noch die saubere Wäsche, die zurück in den Kleiderschrank will.
Sind das angeborene Eigenschaften? Unverrückbare Charakterzüge? Nein.
Das, was wir als Eigenschaft wahrnehmen, ist oft eine erlernte Fähigkeit und das Ergebnis regelmäßig ausgeführter Handlungen. Auch die ordentlichen Menschen da draußen haben Schmutzwäsche. Sie türmt sich nur nicht.
Wieso? Weil sie ein System haben, mit dem sie die Schmutzwäsche in Schach halten.
Wenn du „ordentlich“ sein willst, brauchst du also ein funktionierendes System, musst dir aneignen, wie man Schmutzwäsche in Schach hält und es dann ganz einfach machen. Schon klar, das Beispiel bekommt auf der Banalitäts-Skala hundert Punkte. Es gibt auf dieser Welt jede Menge Dinge, die komplizierter sind als Wäsche waschen. Es gibt aber sogar Dinge, die noch einfacher sind. Nett sein zum Beispiel. Du willst ein netterer Mensch sein? Dann behandle Menschen freundlich. Halt jemandem die Tür auf. Biete jemandem deine Hilfe an. Nicht ein Mal, sondern immer wieder, jeden Tag.
Und bedenke immer, dass allein deine Wertung zählt, nicht die der anderen. Nehmen wir das Beispiel „erfolgreich sein“. Für den einen bedeutet das, eine Million Euro auf der Bank zu haben. Der nächste ist voll und ganz damit zufrieden, am Monatsende noch Geld auf dem Konto übrig zu haben. Und für einen anderen hat Erfolg gar nichts mit Geld zu tun. Du kannst sowieso nicht jedermanns oder -fraus Kriterien für eine x-beliebige Eigenschaft erfüllen. Also versuch es doch gar nicht erst. Kümmer dich lieber darum, deine Kriterien zu kennen und durch deine regelmäßigen Handlungen zu erfüllen.
How to be „ordentlich“
Okay, zurück zu unserem ultrabanalen Beispiel. Du hast zwei Kriterien aufgestellt, die nach deiner persönlichen Wertung einen ordentlichen Menschen kennzeichnen. Next step? Werde dieser ordentliche Mensch, indem du tust, was ordentliche Menschen tun.
1. Keine nicht zusammenpassenden Socken.
Ziele formuliert man am besten positiv (ohne nicht/kein/keine/nie etc.). Wie könnte das Ziel lauten? Vielleicht „Ich besitze nur Socken, die ich auch tragen kann“. Dann darfst du jetzt alle einzelnen, löchrigen, zu kleinen oder zu großen Socken aussortieren oder Sockenpuppen für deine Kinder draus basteln. Problem gelöst.
Zu einfach? Nicht wirklich. Kein Mensch braucht Socken, die er nicht trägt.
2. Keine Wäscheberge.
Machen wir wieder ein nettes Ziel draus: „Ich habe ein funktionierendes Wäschesystem.“
Und jetzt darfst du forschen und ausprobieren, wie dieses System für dich aussehen könnte. Wie oft müsstest du denn Wäsche waschen, damit sie sich nicht türmt? Weißt du nicht? Dann probier mal, jeden Tag eine Ladung Wäsche zu waschen, bis es sich nicht mehr lohnt. Dann jeden zweiten Tag. Jeden dritten Tag. Schau, was passt. Finde heraus, wo deine Grenze liegt: Mit welcher Waschfrequenz fühlst du dich ordentlich? Mit welcher hast du das Gefühl, gerade unordentlich zu werden?
Und: Wäsche waschen heißt nicht, das Zeug einfach in die Maschine zu stopfen. Die saubere Wäsche will ja auch noch versorgt werden. Kommt jetzt ein bisschen drauf an, ob du einen Trockner hast oder nicht. So weit müssen wir an dieser Stelle wohl nicht ins Detail gehen; du siehst ja, worauf es hinausläuft:
Wenn du dich regelmäßig nach einem funktionierenden System um deine Wäsche kümmerst, bist du nach deinen festgelegten Kriterien ein ordentlicher Mensch.
Probier es einfach aus. Vielleicht passen die Kriterien doch noch nicht ganz oder vielleicht klappt das System noch nicht. Im Fall Wäsche könnte das Problem zum Beispiel sein, dass du hundert verschiedene Wäschearten (hell, dunkel, bunt, weiß, 30 Grad, 60 Grad, 90 Grad, Wolle, Handwäsche …) hast und die Maschine nicht voll kriegst. Auch dafür gibt es Lösungen. Rate mal, warum ich nur schwarze Klamotten habe. 😉 Es gibt auch andere Lösungen, keine Panik. Stell erst mal ein System auf und halt dich dran, so gut es geht. Dann siehst du, wo in deinem Fall das Problem liegt. Wenn du das Problem kennst, kannst du es auch lösen und dein Ziel erreichen.
Ja, aber …
Schon klar, so einfach ist das nicht. Bei ordentlichen Menschen ist es ja auch aufgeräumt und du hast ja gar keine Zeit und erfolgreich und nett und entscheidungsfreudig und und und willst du doch auch sein …
Prima, dann hast du jetzt noch ein Kriterium für dein „ordentlich sein“ und gleich noch drei weitere Ziele, die du erreichen möchtest. Das Prinzip ist immer das gleiche. Und, ja, aufräumen kostet Zeit und erfolgreich wird man nicht über Nacht. Stimmt. Ordentliche Menschen nehmen sich wahrscheinlich einfach die Zeit zum Aufräumen und wer heute erfolgreich ist, hat in der Vergangenheit etwas dafür getan.
Verarsch dich nicht selbst mit irgendwelchen Ausreden, dass das bei anderen klappt und bei dir nicht. Es ist deine Entscheidung, ob du Zeit und Energie in Ordnung oder Erfolg investieren möchtest. Niemand zwingt dich dazu. Du darfst entscheiden, wie du sein willst – und was du bereit bist, dafür zu tun.
Ich will auch ein Chamäleon. Dieses schöne bunte stammt von Gareth Newstead via Unsplash
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