Wichtig, dringend und mehr
Von Wichtigkeit und Wurschtigkeit*
Warten auf dich gerade auch noch hundert wichtige E-Mails, die beantwortet werden müssen? Hast du auch noch zig wichtige Termine diese Woche? Und wichtigen Papierkram zu erledigen?
Nein? Dann klopf ich dir kräftig auf die Schulter. Geh raus und genieß die Sonne, das hast du dir verdient.
Ja? Dann lass uns mal über den Unterschied zwischen WICHTIG und DRINGEND sprechen.
Die beiden Begriffe werden gerne synonym verwendet und auch vom Sinn her durcheinandergebracht. Dabei ist ihre Bedeutung ganz und gar nicht die gleiche.
Dringend bedeutet, dass etwas akut anliegt, dass es eilig ist, dass es zeitnah erledigt werden muss.
Wichtig heißt, dass etwas Bedeutung hat, dass es wesentlich ist, dass etwas davon abhängt.
Und jetzt schau doch mal, wie viel Prozent von all den E-Mails, Terminen, Papieren, Nachrichten und so weiter tatsächlich WICHTIG und nicht nur DRINGEND sind.
Standards
Die Unterscheidung ist keine Wortklauberei, die Unterscheidung ist essenziell.
Warum? Weil wir ein Problem kriegen, wenn wir jedem popeligen Mist das Prädikat WICHTIG verleihen. Wichtige, wesentliche Dinge, Dinge von Bedeutung erfordern unsere Aufmerksamkeit, Hingabe und Sorgfalt. Wenn dir etwas wichtig ist, dann steckst du mehr Zeit und Energie rein. Vielleicht sogar Herzblut. Du gibst dein Bestes. Geil! So soll das sein.
Wenn aber alles Mögliche als WICHTIG deklariert wird, funktioniert das nicht. So viel Aufmerksamkeit, Energie, Herzblut und Zeit kann kein Mensch aufbringen. Die Folgen davon, dass wir unseren Standard für WICHTIG so sehr verwaschen, so weit runtergeschraubt haben, sind Perfektionismus (der zum Beispiel zur Totallähmung oder zum Burn-out führen könnte) auf der einen Seite und diese phlegmatische Wurschtigkeit*, bei der aus Gewohnheit nur halbe Sachen gemacht werden, auf der anderen Seite.
Ich kann dir gar nicht sagen, was ich schlimmer finde. Ich glaube, die Wurschtigkeit.
Hände waschen
Das Problem betrifft nicht nur die Unterscheidung zwischen WICHTIG und DRINGEND. Wir verwenden das Wort WICHTIG inflationär. Ich mein … in den letzten zwei Jahren ist sogar das Hände waschen WICHTIG geworden. Sorry, aber da bin ich raus. Da, wo ich herkomme, war Hände waschen nicht wichtig, sondern selbstverständlich. Frag doch mal jemanden, welche Eigenschaften und Qualitäten an einem potenziellen Partner oder einer Partnerin wichtig sind. Wenn du Pech hast, sitzt du eine halbe Stunde später noch da und hast von A wie Achtsamkeit bis Z wie Zeitmanagement alles gehört.**
Fakt ist doch, dass wir permanent erzählt kriegen, was alles wichtig zu sein hat. Schau dir mal eine x-beliebige Werbepause im Fernsehen an (oder, nein, tu’s besser nicht …); da will dir jeder irgendwas verkaufen.
Ich kann dir Biobaumwoll-Klamotten oder Fitnesstraining zu Hause (die beiden Werbespots kamen soeben im Hintergrund auf Youtube) nur verkaufen, wenn ich es schaffe, dich irgendwie davon zu überzeugen, dass Nachhaltigkeit und Fitness WICHTIG sind und dass du einen Mehrwert erlebst, wenn du sie als wichtig erachtest. Sonst kaufst du den Krempel nämlich nicht und jemand verdient kein Geld damit.
Eisenhower-Matrix
Aber zurück zum feinen Unterschied zwischen WICHTIG und DRINGEND. Um Klarheit in deine fünfhundert To-dos zu bringen, kann ich dir die Eisenhower-Matrix empfehlen. Da hast du zwei Achsen, die die fortschreitende Wichtigkeit und Dringlichkeit einer Sache anzeigen. Und jetzt kannst du deine To-dos eintragen. GEZ bezahlen. Wie wichtig ist das? Und wie dringend ist das? Dringend ist es irgendwann schon – so wirklich wichtig aber nicht. Zeit mit jemandem verbringen, den du magst. Nicht wahnsinnig dringend wahrscheinlich, aber wichtig. Hundefutter kaufen. Definitiv wichtig und dringend. Irgendwelche Mails beantworten. Oft weder wichtig noch dringend.
Sortier mal für dich. Und lass dir nicht weismachen, was für dich WICHTIG zu sein hat. Wichtig heißt, dass es DIR wichtig ist. Dass es FÜR DICH Bedeutung hat. Wenn Bio-Klamotten und Fitness dir nicht wichtig sind, ist das total okay. WICHTIG ist erst einmal subjektiv und du darfst ganz bewusst entscheiden, was dir wichtig ist, welche Bedeutung du den Dingen beimisst.
Und dann? Kümmer dich um das, was DIR wichtig ist. Mit deiner Zeit, mit deiner Energie, mit deinem Herzblut. Gib dein Bestes. Diese Dinge, die dir etwas bedeuten, haben deine ganze Aufmerksamkeit verdient.
Die anderen nicht. Was dringend (aber nicht wichtig) ist, erledigst du halt einfach. Was weder wichtig noch dringend ist, kannst du auch streichen, wenn du dir jetzt gerade nicht die Zeit dafür nehmen möchtest. Ja, es könnte irgendwann dringend oder wichtig werden, also schieb es nicht unnötig auf. Aber was nicht dringend ist, erfordert per Definition nicht akut deine Aufmerksamkeit.
Unwichtigkeit
So, und was war jetzt mit den ganzen anderen wichtigen Dingen und Handlungen und Eigenschaften?
Uff. Miste aus. Frag dich doch mal ganz ehrlich, ob dir Hände waschen wichtig ist. Oder nachhaltige Kleidung. Oder die Bikinifigur aus der Muckibude. Oder die Achtsamkeit von Mr. und Mrs. Right. Wirklich, es ist total okay, dass uns nicht alles wichtig ist. Es darf Unwichtiges geben. Nachhaltige Kleidung darf dir egal sein. Du darfst zu Achtsamkeit auch einfach keine Meinung haben. Du musst auf die Bikinifigur keinen Wert legen. Es ist dein Leben und deine Entscheidung.
Gesteh dem Großteil der Dinge doch einfach mal eine gewisse Unwichtigkeit zu und schenk deine Aufmerksamkeit dem, was DIR wichtig ist.
* Der Begriff stammt von einem charmanten Bayer und beschreibt die Haltung, dass den Leuten einfach alles wurscht (=egal, unwichtig) ist und sie sich ergo keine Mühe geben.
** Zwei Wochen später ist die gleiche Person mit einem unachtsamen Trottel ohne Zeitmanagementfähigkeiten zusammen, weil sie sich nämlich einfach verknallt hat. So funktioniert das. Währenddessen liegt Amor Tränen lachend unter dem Tisch und bepisst sich über die Menschheit.
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